Die Basis der Streitkräfte unserer wehrhaften Demokratie ist eine starke Reserve – verankert in Gesellschaft und Armee.
Um ihren Auftrag zu erfüllen und ihren Aufgaben gerecht zu werden, stützt sich die Bundeswehr auf eine militärische und eine zivile Säule. Die militärische setzt sich aus zwei Anteilen zusammen: Einer aktiven Truppe, in der das Berufsbild des Soldaten bzw. der Soldatin als Vollzeitdienst aufgebaut ist, sowie einer Reserve, in der Menschen aus dem zivilen Leben die Bundeswehr durch temporäre Dienstleistungen unterstützen.
Primärer Zweck der Reserve ist es, im Ernstfall die Aufwuchsfähigkeit der Truppe sowie den Personalersatz sicherzustellen. Damit bildet die Reserve ein wesentliches Element, um die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, im Schwerpunkt für die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV), zu gewährleisten. Sie ist zwingend erforderlich, um das Fähigkeitsprofil der deutschen Streitkräfte mit zusätzlichen Kompetenzen, Qualifikationen und weiterem Personal zu hinterlegen. Ohne eine quantitativ und qualitativ gut aufgestellte Reserve kann die Bundeswehr ihrem Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung nicht glaubhaft gerecht werden. Die gegenwärtige unzureichende Personallage bei der Bundeswehr wäre ohne die Dienste der Reservistinnen und Reservisten bereits heute noch prekärer. Daneben stellt die Reserve, gerade nach Aussetzung der Wehrpflicht, ein wesentliches Bindeglied zwischen Gesellschaft und Armee dar – als Verständigungs-, Kommunikations- und Verständniskanal. Das Prinzip „Staatsbürgerin und Staatsbürger in Uniform“ wird durch die Reserve plastisch greifbar.
Die Reserve der Bundeswehr ist in drei Kategorien unterteilt: Truppenreserve (bestehend aus Verstärkungs- und Personalreserve), Territoriale Reserve und Allgemeine Reserve. Aufgrund der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Auftrages der LV/BV werden Politik, Gesellschaft und Bundeswehr vor allem Territorialer und Allgemeiner Reserve in nächster Zukunft große Aufmerksamkeit widmen müssen.
Die Truppenreserve besteht aus Einzeldienstposten, die bestehenden Truppenteilen und Dienststellen konkret zugeordnet sind. Vertretung- respektive Ersatzpersonal für aktive Dienstposten sind in der Personalreserve der Truppenreserve zusammengefasst – als sogenannte „gespiegelte Dienstposten“. Dienstposten der Verstärkungsreserve bezeichnen Dienstposten, die in der aktiven Truppe ausgeplant aber im Grundbetrieb nicht besetzt sind. Diese Dienstposten werden aktiviert, wenn die entsprechende Dienststelle oder der Truppenteil verstärkt werden soll. Manchen Truppenteilen sind Ergänzungstruppenteile zugeordnet, die fast ausschließlich aus Reservistinnen und Reservisten bestehen. Zum Teil verfügen Ergänzungstruppenteile über eigenes Gerät und eigene Ausrüstung. Reservistinnen und Reservisten der Truppenreserve sind beordert (derzeit ca. 36.000 Beorderte), d. h. ihnen ist ein konkreter Dienstposten zugewiesen. Kernherausforderung dieser Reservekategorie ist die Ausbildung und Inübunghaltung auf dem jeweiligen Dienstposten, so dass aktives Personal kurzfristig von Reservepersonal vertreten werden kann.
In der Territorialen Reserve sind vor allem die so genannten Heimatschutzkräfte eingeplant. Im Heimatschutz sind Reservistinnen und Reservisten, die ausschließlich im Inland auf freiwilliger Basis (in Friedenszeiten) zur Unterstützung der aktiven Truppe bei besonderen Vorhaben eingesetzt werden. Im Bedarfsfall sichern Kräfte der Territorialen Reserve verteidigungswichtige Infrastruktur sowie Marschwege alliierter Kräfte durch Deutschland und unterstützen durch Amts- und Katastrophenhilfe. Die vorgesehenen sechs Heimatschutzregimenter sind in einer eigenen Heimatschutzdivision zusammengefasst und unterstehen dem Kommando Heer. Auch Angehörige der Territorialen Reserve sind beordert (vorzugsweise wohnortnah) und damit einem konkreten Dienstposten in einer Heimatschutzeinheit zugeordnet. Beordern lassen können sich ehemalige Soldatinnen und Soldaten, so genannte „Freiwillig Wehrdienstleistende Heimatschutz“ („Dein Jahr für Deutschland“) sowie bislang ungediente Personen, die in einer speziellen modularen Ausbildung für den Dienst im Heimatschutz aus- und im Rahmen freiwilliger Dienste weitergebildet werden. Heimatschutzeinheiten und -verbände sind bislang noch nicht vollständig mit eigener Ausrüstung und Bewaffnung ausgestattet, und müssen für Übungen und Trainings benötigtes Gerät häufig bei sogenannten Patentruppenteilen ausleihen.
Kernherausforderungen dieser Kategorie der Reserve sind ihre personelle und materielle Vollausstattung, um eine qualitätsvolle Ausbildung zu ermöglichen, die tatsächliche Einsatzbereitschaft und reibungslose Funktionsfähigkeit zu gewährleisten.
Zur Allgemeinen Reserve zählen alle Personen, die jemals in der Bundeswehr gedient haben, nicht unter eine der vorgenannten Kategorien zählen und das 66. Lebensjahr nicht überschritten haben. Angehörige der Allgemeinen Reserve sind nicht beordert, ihnen ist kein Truppenteil zugeordnet. Ein Teil der Allgemeinen Reserve wird vom Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V. (Reservistenverband) im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) im Rahmen der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit betreut (ca. 110.000 Personen). Der Reservistenverband ist als ziviler Verein „besonders beauftragter Träger“ der Reservistenarbeit außerhalb der Bundeswehr und wird direkt aus Haushaltsmitteln (Haushaltsplan 14) des BMVg finanziert.1 Eine Kernherausforderung der Allgemeinen Reserve ist die Ansprache geeigneter Personen, um sie insbesondere in den Heimatschutzeinheiten der Territorialen Reserve zu verankern und zielgerichtet aus- und weiterzubilden. Die Ausbildungen des Verbandes erfolgen häufig im Rahmen Dienstlicher Veranstaltungen (DVag), die durch die aktive Truppe unterstützt werden müssen und daher mitunter in Konkurrenz um Ausbildungsressourcen für die Heimatschutzkräfte stehen. Hier bestehen derzeit Doppelstrukturen und Effizienzdefizite, um die hoheitliche Aufgabe für den Aufbau eines qualifizierten Heimatschutzes zielgerichtet zu bewältigen.
Seit Oktober 2021 verfügt die Reserve mit der Grundbeorderung über ein zusätzliches Instrument ihrer Personalentwicklung. Ansatz der Grundbeorderung ist es, die Fähigkeiten von aktiven Soldatinnen und Soldaten auch nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst für die Bundeswehr zu erhalten. Zu diesem Zweck werden die noch aktiven Soldatinnen und Soldaten ca. ein halbes Jahr vor ihrem Dienstzeitende über die Möglichkeiten der Reserve in der Grundbeorderung angesprochen und informiert. Die ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten können sich auf diese Weise direkt in die Truppen- oder die Territoriale Reserve beordern lassen. Die Gesamtdauer der freiwilligen Grundbeorderung umfasst aktuell sechs Jahre.
Grundlegende Ausrichtung und Entwicklungslinien für die Reserve sind in der Strategie der Reserve2 festgehalten. Durch anhaltende Weiterentwicklungen und Lageanpassungen, befindet sich die Reserve in einem dynamischen Prozess.3
Die Schwerpunkte der Reservistenarbeit der Bundeswehr sowie für den Reservistenverband und den Beirat für Reservistenarbeit werden durch den Beauftragten für Reservistenangelegenheiten und Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr gesetzt.
Forderungen
- Hochwertige Ausstattung mit persönlicher Ausrüstung und Material auf Niveau der aktiven Einheiten, Priorität: Verstärkungsreserve und Territoriale Reserve
- Internes Verständnis für Aufgaben und Funktionen der Reserve stärken
- Berücksichtigung der Reserve im Bereich materielle Ausstattung und Infrastruktur schon in der Planung und Finanzierung
- Umfassende und hochwertige Ausbildungs- und Trainingsressourcen (Verbrauchsmaterialien, Munition, Ausbildungszeiten auf Übungsplätzen & Schießbahnen etc., Lehrgangskapazitäten, usw.), Priorität: Verstärkungsreserve und Territoriale Reserve (bspw. Schießen an Wochenenden ermöglichen)
- Vereinbarkeit von Reserve und Beruf -> Kooperation mit Arbeitsgeberverbänden, Großkonzernen, Branchenverbänden, Gewerkschaften, (vorstellen, einbeziehen und sensibilisieren) -> Arbeitgeber über Sinnhaftigkeit sowie über rechtliche Bedingungen informieren (Bezug zur Bundeswehr ist nicht mehr selbstverständlich)
- Beendigung des Prinzips der doppelten Freiwilligkeit
- Verschlankung, Entbürokratisierung/ Automatisierung der Antragsund Abrechnungsabläufe (bspw. für RDL)
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für Personen in der Reserve einschließlich verstärkter gesellschaftlicher Anerkennung, um den Dreiklang Familie, ziviler Tätigkeiten und militärischer Dienstleistung zu unterstützen.
- Öffentlichkeitsarbeit: Reserve als soziales Engagement und Dienst an der Gemeinschaft anerkennen („Alles ist nichts ohne Sicherheit.“)
- Verbesserung der Kommunikation (direkte Rückmeldungen/ Reaktionen), eine zentrale Anlaufstelle (single point of contact, bspw. EINE Kontaktnummer oder Mail) für Reservistenangelegenheiten (in Verantwortung der Bw)
- Reservistenkartei der Bw (abseits von Kontakten/Netzwerk des Reservistenverbandes VdRBw als offizielle Fortführung der Personalerfassung wie bei KWEA – Kreiswehrersatzämter)
- Reservistenanwerbung für Grundbeorderung längerfristig und kontinuierlich gestalten. (Ein halbes Jahr vor Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ist dazu zu kurzfristig.)
- Stärkung der Reserve in ihrer Rolle als einziges verbliebendes Bindeglied zwischen ziviler und militärischer Sphäre.
- Auch ungediente Bürgerinnen und Bürger müssen in die Gesamtbetrachtung zur Stärkung der staatlichen Resilienz und der Entwicklung der Reserve einbezogen werden.
- Erleichterung des Zugangs in die Reserve.
- Verstärkte Nutzung der Reserve zur Verbesserung der Übernahmemöglichkeiten in den aktiven Dienst.
- Kurz- und mittelfristig konsequenter Auf- und Ausbau der Truppenreserve (insbesondere der Verstärkungsreserve) sowie der Territorialen Reserve („Heimatschutzkräfte“).
- Langfristig Auf- und Ausbau der Allgemeinen Reserve. Alle relevanten Aufgaben (Personalverwaltung, Ausbildung etc.) müssen in den Strukturen der Bundeswehr angelegt sein. Neben der Truppenreserve und dem Heimatschutz muss dies künftig auch für die Allgemeine Reserve gelten. Wesentliche Aufgaben des Verbandes für Reservisten müssen in die zentrale Verantwortung der Bundeswehr überführt werden.
- Im Jahr 2019 umfasste die Finanzierung ca. 18,1 Mio. €, im Jahr 2022 ca. 19,8 Mio. €, im Jahr 2023 ca. 24,6 Mio. € und im Jahr 2024 ca. 26,43 Mio. €. ↩︎
- https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/die-reserve-der-bundeswehr/organisation-der-reserve-der-bundeswehr/kompetenzzentrum-fuer-reservistenangelegenheiten-der-bundeswehr/strategie-der-reserve ↩︎
- U. a. Weisung für die Reservistenarbeit; https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5527170/39f57f8731670adc0dc490a3259796d3/pdf-weisung-reservistenarbeit-2023-2025-data.pdf ↩︎
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